Die Wahl

In Meckpom wurde gewählt, in Berlin wird gewählt werden. Eigentlich gibt es zu dem Thema „Wahlen und Demokratie“ seit Tucholski („Die Wahl, der Tummelplatz des kleinen Mannes“) nichts mehr zu sagen. In Mecklenburg/Vorpommern lag die Wahlbeteilgung bei den diesjährigen Landtagswahlen bei etwas über 50 Prozent, in Bremen bei etwa 55 Prozent, in Hamburg unter 60 Prozent. Mag sein, in den nördlichen Ländern war am Wahlsonntag besonders schönes Wetter und alle waren am Strand und ehe sie den Sand aus den Socken geschüttelt hatten waren die Wahllokale schon geschlossen. Oder Alle waren gerade im Urlaub und… jedenfalls scheint die Beteiligung an der Demokratie für fast die Hälfte der erwachsenen und als mündig geltenden Bürger nicht das Wichtigste an einem Sonntag zu sein. Sie haben nicht etwa vier lange Jahre auf den Tag hingefiebert um endlich mit der Stimme des Volkes die an den Biertischen und in den Schönheitssalons vielfach kritisierte Politik mit den richtigen Leuten zu besetzen und so wieder in eine bürgerfreundliche Richtung zu drängen, nein, sie blieben zu fast der Hälfte den Wahllokalen fern. Spätestens nach dem Tatort-Krimi am vergangenen Freitag wissen es auch alle Fernseh-Krimi-Freunde: Politiker und Regierende bessern mit Hilfe von Industriefreundlichen Gesetzesänderungen ihre mageren Bezüge auf und es muss dem ein Ende gemacht werden. Dass hunderttausende von Bürgern zu viel Geld an die Pharmaindustrie bezahlen (über ihre Krankenkassenbeiträge) mag ja noch angehen, aber dass die Politiker, die Regierenden und ihre Sekretäre sich gegenseitig deswegen umbringen, dass geht dann doch zu weit. Aber die Hälfte der Bürger geht ja noch zur Wahl. Und die Bürger, die zur Wahl gehen, die bestimmen, wer uns dann regiert. In MeckPom sind ca. 50% zur Wahl gegangen. Wenn die SPD mit der Regierungsbildung beauftragt wird, so wird sie die Richtung der Politik bestimmen. Sie nimmt vielleicht die Grünen mit in ihr Schiffchen, dass in den nächsten Jahren zu steuern sein wird. Damit haben dann ca. 50 Prozent von 50 Prozent der Wahlberechtigten (also nur 25 Prozent aller Wahlberechtigten!) bestimmt welche Partei den Kurs bestimmen wird. Die SPD hat Deutschlandweit ungefähr 500.000 Mitglieder. Bei immer noch abnehmender Tendenz, denn über ein Drittel sind über 60 Jahre alt. In Mecklenburg-Vorpommern hatte die SPD im Jahre 2008 unter 3000 Mitglieder (davon werden inzwischen auch ein paar weggestorben sein). Die Grünen haben rund 500 Mitglieder in dem Land. Wenn diese beiden Parteien also zusammen die Regierung bilden, dann werden diese knapp 3500 Leute die politische Richtung des Landes und damit für knapp 1,4 Millionen mündige Bürger die Entscheidungsträger in Fragen der Politik sein. Sie werden sich noch ein paar andere Menschen dazu holen müssen, denn es gibt mehr Posten und Pöstchen zu besetzen als Mitglieder vorhanden sind. Es besteht also Hoffnung. Von SPD und Grünen regiert zu werden ist vielleicht gar nicht so schlimm. Schlecht wird erst, wenn die gewählten Parteisoldaten sich weder dem Parteiprogramm, noch dem Wahlprogramm verpflichtet fühlen. Man kann sie nämlich nicht wieder loswerden. Am schlimmsten ist es, wenn sie sich nicht mehr an ihre Versprechen und an ihren Eid gegenüber dem Wahlvolk erinnern. Bis zur nächsten Wahl können sie tun und lassen was sie wollen. Um das noch einmal klarzustellen: Das Volk geht wählen (jedenfalls das Halbe). Sie wählen Abgeordnete, die von den Parteien vorgeschlagen werden. Denn die Parteien sollen laut Grundgesetz bei der politischen Willensbildung mitwirken. Wenn dann die Abgeordneten sich im Parlament zusammengefunden haben, dann sind sie nur noch ihrem Gewissen verpflichtet. (Bekanntlich kommt erst der Bauch und dann die Moral(Brecht). So ist verständlich, dass die Abgeordneten zunächst an ihre Versorgung denken und dann an das Volk.) Die Parlamentarier bestimmen dann die Regierung. Die Regierung, das sind Beamte, die praktisch dem Parlament, dem Volk und manchmal auch Gott verpflichtet sind. Jedenfalls schwören sie das bei Amtsantritt. Wenn dann die Regierung durch das Parlament bestätigt ist, dann kann sie anfangen zu arbeiten. Zum Wohle des deutschen Volkes, oder auch zum Wohle des Volkes von Mecklenburg und Vorpommern. Die Regierung ist nicht einer Partei verpflichtet. Die Partei hat eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Wenn da, wenn die Kanzlerin mal ins Bild kommt, „CDU“ als Zusatz steht, ist das falsch. Die Kanzlerin ist dem Parlament rechenschaftspflichtig, hat die Aufgaben zu lösen, die ihr vom Parlament gestellt werden und hat zum Wohle des deutschen Volkes zu handeln. Mit der CDU hat sie als Kanzlerin nicht viel zu tun. Nähme sie ihren Posten ernst, so müsste sie Parteizugehörigkeit und alle Posten und Verpflichtungen, die mit dieser Partei zusammenhängen, niederlegen. Das tut sie nicht. Das könnte aber mal im Gesetzt verankert werden. Bei den anderen Beamten (Polizei, Finanzamt) darf ja die Parteizugehörigkeit auch keine Rolle spielen. Wäre ja lustig, wenn nur noch die Bauanträge von CDU-Mitgliedern abgeschmettert werden würden. Ohne sinnvolle Begründung, natürlich. Nun ist es so, dass zwar anscheinend der Gesundheitsminister die Gesundheitspolitik (wie vom Parlament vorgegeben) durchsetzt, aber das tut er gar nicht. Dazu fehlt ihm Zeit, Qualifikation und Genie. Dabei wollen wir mal voraussetzen, dass er ein wenig Ahnung vom Gesundheitswesen hat, eine ordentliche Schulbildung genossen hat, nicht ganz verblödet und auch immer auf dem neusten Stand der Realität ist. Ein Genie ist er nicht, aber das andere wollen wir ihm mal zugestehen. Trotzdem kann er das nicht überblicken. Niemand überblickt das. Alleine die vielen beschriebenen Blätter zu lesen, würde ein einzelnes Genie überfordern. Der Bundesgesundheitsminister, der Herr Bahr, ist Bankkaufmann und Volkswirt und Manager. Er hat seine Helfer. Die Staatssekretäre. Die regieren eigentlich das Land. Denn die lesen die Papiere während der Minister Reden hält. Die studieren die Gesetze, die machen die letzten Änderungen daran. Manchmal auch im Sinne eines Unternehmens, von dem sie gerade eine Zuwendung für einen Vortrag erhalten haben. Sicher haben die Sekretäre und die Sekretäre der Sekretäre in ihrem Arbeitsvertrag auch stehen, dass sie ihrem Brötchengeber verpflichtet sind, aber sie haben einen Bauch und fühlen sich dem Deutschen Volk nicht unbedingt verpflichtet. Es ist also wirklich vollkommen egal, ob die Mecklenburger und Vorpommern zur Wahl gehen. Sie wählen aus dem Bauch, denn weder dem Parteiprogramm noch den Wahlversprechen können sie trauen. Und sie wissen das. Nachdem die Parlamentarier einmal auf ihren Stühlen sitzen können sie treiben was sie wollen. Die Parlamentarier diskutieren und es ist nur Show. Sie wissen das. Die wirklichen Entscheidungen werden hinter Türen getroffen, die ihnen meist nicht mal bekannt sind. Und oft Entscheidungen werden von den Parteigremien und Einzelpersonen vorgegeben, die das Gewissen und die Gedanken der Volksvertreter garantiert nicht befragen. Die Regierenden regieren. Jedenfalls tun sie so. Aber oft haben sie die von ihnen vorgelegten Gesetze nicht mal gelesen, geschweige denn verstanden. Hauptsache die Rechtsanwälte der Pharmaindustrie oder der Energiewirtschaft wissen was da drinnen steht. Der Wahlbürger weiß das. Mindest ahnt er es. Aber er hat immer noch Hoffnung. Und einen anderen Weg kennt er oft nicht. Jedenfalls steht keiner in der „Bild“. Dabei gibt es einen Weg. Einen politischen. Dazu braucht es aber jemanden der politischen Willen durchsetzt. Und das kann nur das Wahlvolk sein. Wenn das an der Wahlurne nicht möglich ist, dann muss es auf der Strasse geschehen.

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