Die Tafel

Und, haben sie sich den Thriller reingezogen, erschöpft vom Tageswerk, gestern am Abend? Wenn sie wirklich mal das Gruseln bekommen wollen, dann hören sie sich das mal an:

Frauen und Männer mit blauen, weißgepunkteten Schürzchenen, liebevoll lächelnd, verteilen tausend Kostbarkeiten an freundlich bittende Münchner.

Im sechst-reichsten Staat der Welt (BIP pro Kopf) und in diesem  wiederum die 4-reichsten Stadt, München,  gehen 18 000 Menschen zur „Tafel“. Sie können getrost noch mal 18000 dazurechnen, die wegen Faulheit  so früh nicht aus dem Bett kommen und so das Frühstück an der Tafel verpassen, wegen Blödheit die richtige Straßenbahn zur nächsten Tafel  nicht finden oder sich doch zu sehr schämen nicht in der Lage zu sein in einer der reichsten Städte der Welt  seinen eignen Beitrag zum Wohlstand beizutragen und  der Gesellschaft zu sehr auf der Tasche zu liegen.

Trotzdem geht noch immerhin jeder achtundsiebzigste Münchner zur Tafel, um  für sich oder für seine Familie dort unentgeltlich einkaufen.

Aber nur auf Bezugsschein. Nein, nicht jeder darf sich hier kostenlos gütlich halten an dem von der Gemeinschaft erarbeiteten und der Tafel gespendeten Gütern, alles muss seine Ordnung haben. Wir sind in Deutschland, da gibt’s Bezugscheine. Da soll sich ja keiner auf Kosten anderer bereichern. Da muss die Bedürftigkeit schon ordentlich festgestellt sein, trotz der notwendigen Datenspeicherung. Das muss man in Kauf nehmen. Überhaupt, in unserer reichen Sozialgemeinschaft ist das doch nicht normal, dass einer nicht in der Lage ist, für sich oder seine Familie zu sorgen.

Da fragte ich die Omi, warum sie denn zur Tafel gehe. Was bekomme ich zur Antwort: sie hat keine Kinder, die sich um sie kümmern.

Und der Mann mittleren Alters, der so vom Ansehen her sehr wohl in der Lage wäre, sich selbst zu versorgen. Er redet sich raus. Bei McDingsda habe er schon versucht eine Anstellung zu bekommen, aber er ist schon raus aus den saftigen Jahren. Bei  einer Sicherheitsfirma, bei der er sich beworben hat, da gab‘s nur einen Stundenlohn knapp unter 4 Euro.

Alles Ausreden. Was will er denn mehr verlangen, als 4 Euro. An irgendeinem Werkstor rumlungern und die Arbeitswilligen belästigen, das wird er doch wohl können. Und das ist doch mit 3.88 Euro die Stunde gut bezahlt. Schließlich könne er sich bei der Nachtwache weiterbilden. Da muss der doch wohl nicht zur Tafel.

Eine junge Frau, die ich befrage, erklärt mir , sie sei aus Rostock eingewandert, was bekanntlich in der ehemaligen Zone liegt und sie hätten Tomaten schon immer auf Bezugschein bekommen. Sie komme deswegen, weil sie sich das sonst gar nicht vorstellen könne. Sie erklärt mir das in einem nachgemachten friesischen Dialekt, obwohl Rostock bekanntlich nicht in Friesland ist, aber den heimischen schwäbischen Dialekt konnte sie doch nicht so ganz unterdrücken.

Und der junge Mann, nun doch wirklich im besten Alter, erklärte, er wäre für seinen Freund hier, der wäre in der Vorlesung und müsse danach  sofort zu einem Diskounter, Regale einräumen. Wenn er von dort was mitnehmen würde, nur Überzähliges natürlich, dann wäre das Diebstahl.

Die Frau mit Baby erklärt:  Die Bananen sind hier immer so schön reif. Im Supermarkt sind die immer noch so grün, dass man sie nicht genießen kann. Und die Kiwis erst, auf die Kiwis möchte sie ja nicht verzichten. Die Eierteigwaren wären nirgends so gut und günstig wie hier.

Alles freche Lügner und Abstauber. Solche Schmarotzer sollte man für 10 Euro Mindestlohn auf die Obstplantagen vor der Stadt jagen, Kirschen und saftige einheimische Äpfel pflücken. Schade nur, dass die Obstplantagen abgeholzt wurden, wegen der Brachfläche und der Landschaftspflege, für die es fette Subventionen von der EU gibt. Und nach Spanien zur Obsternte möchte man die Leute ja nun wirklich nicht schicken. Vielleicht noch Urlaub machen dort, für Mindestlohn. Außerdem sind da schon die Marokkaner zum pflücken. Die kommen uns billiger. Jedenfalls solange die Supermärkte genug Bananen und Spaghetti spenden.

Ich meine, wo doch die CSU jetzt ein eignes Wahlprogramm hat, da sollten sie doch eine Steuer erheben für jedes Gramm weggeworfener Lebensmittel und eine Strafe verhängen für jeden umgerissenen Obstbaum im eigenen Land.  Subventionen für stillgelegte Flächen braucht niemand und auch nicht für Transporte von Lebensmitteln durch die ganze EU –

Das Geld könnte in höhere Renten, Stipendien und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes gesteckt werden.

Der Mindestlohn könnte, wie von 52 Prozent der Unternehmer selbst vorgeschlagen, auf mindestens 8,88 € festzulegen- Dann brauchte kaum noch jemand an der Tafel stehen.

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