Artikel getaggt mit Mauerbau

Ach, übrigens…..

Heute jährt sich wohl der Tag zum dreißigsten Mal, an dem die Tür endgültig aufgestoßen wurde. Das Tor für die Annektion des demokratischen Teil Deutschlands, die wichtigste Barriere für den Einfall des Kapitalismus in die bis dahin geschützte Zone für den experimentellen Aufbau eines friedliebenden, demokratischen, gerechten Staates auf deutschem Boden, in dem nicht die Interessen des Kapitals, des Großkapitals, des Finanzkapitals im Vordergrund standen, sondern das Wohlergehen des gesamten arbeitenden Volkes, die Grenze wurde geöffnet. Die Kontrolle des Staates DDR über das Grenzregime hörte auf. Die Souveränität des Staates DDR ging damit faktisch den Bach runter. Finito.

Feierlich ist mir an solch einem Tag nicht zumute. Mich überkommt eher Traurigkeit und, ja auch, Wut. Traurigkeit, weil die Zerstörung nicht aufhört. Das Kapital hat es geschafft die sozialen und kulturellen Errungenschaften des Volkes der DDR zu zerschlagen und das Kapital gibt sich damit nicht zufrieden, sondern plündert jetzt beide Teile des arbeitenden deutschen Volkes aus. Auch die erkämpften Zugeständnisse des Kapitals, wie der 8-Stunden-Tag und das Gesundheitswesen und die Rente werden in Frage gestellt. Und das Kapital beutet noch rücksichtsloser Boden, Luft und Natur aus, als es jemals der Fall gewesen ist.

Wut, weil es nicht so aussieht, als wenn sich irgendwer dagegen auflehnen würde, weil es nicht so scheint, als wenn das aufhören könnte, als wenn es eine Kraft gäbe, die dem entgegen wirkt. Was sollen alle diese Bewegungen, diese Flüchtlingsrettung, diese Ärzte ohne Grenzen, diese Umweltrettungsvereine? Sie werden an den Oberflächen kratzen, aber sie werden dem Kapital keine Grenzen setzen. Kein Grund zu feiern. Wirklich nicht. Wir würden den Rückschritt der Menschheit feiern.

Euer Tobi.

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Mauer

Ich kannte eine Dame in Schwaben. Eine ältere Dame. Sie wohnte in einem Reihenhäuschen in einer kleinen Siedlung gleich neben einer größeren Stadt. Ihr Mann war Zeit seines Lebens in dieser Stadt seiner Arbeit nachgegangen. Sie haben für sich und die Kinder, die es  „einmal besser haben sollten“, das Häuschen gebaut. Die Kinder waren ausgezogen, die alte Frau lebte alleine in dem Häuschen, als ich sie kennenlernte, und das obere Geschoss war an eine deutsch-türkische Familie vermietet, das Dachgeschoss an mich. Sie selbst hatte den Landkreis in dem sie lebte nur ein einziges Mal in ihrem Leben verlassen. Sie war im Urlaub am rund 100 Kilometer entfernten Bodensee. Den Urlaub empfand sie als sehr schön, aber mitgefahren war sie nur weil sich die Kinder das so gewünscht hatten. Ihr Mann hatte nur als Soldat das Schwabenland verlassen.

„Wir haben hier alles was wir brauchen. Wir haben alles selbst aufgebaut.“ Sie hatte ihren Lebensinhalt und war stolz darauf.

Ich habe es damals als Kleinkleckerei, Weltfremdheit, Beschränktheit, kleinbürgerlich, schwäbisch empfunden. Aber es ist das Lebensgefühl dieser Generation. „Arbeit adelt.“

Das war, bevor die Deutschen zu Urlaubsnomaden und zu Arbeitsnomaden geworden sind. Heute ist Arbeit: „Etwas schaffen“ nicht mehr Hauptinhalt des Lebens. Die, die Arbeit haben, haben zu viel, und die anderen haben von allem zu wenig. Als Hauptinhalt wird heute „FUN haben“ vermittelt. Und die Jugend ist nicht wirklich glücklich damit, keine Aussichtmehr darauf zu haben sich jemals in ihrem Leben verwirklichen zu können.

Wir feiern den Jahrestag des Mauerbaus. Gedenkgottesdienste, offizielle Anlässe. Der Ministerpräsident spricht, Die Linke meldet sich zu Wort. Für einen gelernten DDR-Bürger ist das nicht einfach zu ertragen. Dieses ewige Geheule und Gejammer dieser freiheitlich – demokratischen Journaille und der kleinen und der großen Bundespolitik.

Brett vorm Kopf. Kann sich jemand vorstellen von diesen Machern, dass es den allermeisten DDR-Bürgern viel wichtiger war jeden Tag  friedlich zur Arbeit gehen zu können!? Dass „Die Mauer“ eine Erscheinung am Rande eines DDR-Bürgerlebens war, welches ihn sehr wenig berührte im täglichen Leben?! (Nur 0,4 Promille der gesamten DDR-Bevölkerung wollten in allen den 40 Jahren DDR „ausreisen“. Die Auswanderungsrate der BRD liegt heute jährlich bei 5 Promille.)

Ja, die DDR wollte sich abriegeln, die DDR musste sich abriegeln, Ja, die DDR verlor tausende Menschen, die gut ausgebildet meist, bis dahin die kostenlose Schulbildung, Ausbildung und Studium genossen haben (vom Staat DDR bezahlt, also von seinen Bürgern!) und alle anderen Vorzüge der sozialistischen Auffassung von einem menschenwürdigen Leben. Ja, die DDR konnte sich das Ausbluten nicht leisten, ja, die DDR konnte den Menschen nicht das bunte Leben, das der Westen versprach, bieten. Es gab keinen Marschall-Plan sondern Reparationszahlung an die Sowjetunion.

Aber, Freiheit, Freiheit besteht aus durchaus mehr als Reisefreiheit. Die persönliche Souveränität hört im Westen da auf, wo der Geldbeutel nicht mehr reicht oder wo die persönliche Meinung droht die bestehende Ordnung des Geldes in Frage zu stellen.

Wie weit die Meinungsfreiheit in der BRD ging (und geht), das zeigen die zigtausend faktischen Berufsverbote und Gerichtsprozesse und Verurteilungen wegen Mitgliedschaft in der KPD. Und heute lassen sich solche Beispiele auch leicht finden.

Auch in späteren Zeiten war das Reisen von DDR-Bürgern in die BRD nicht unbedingt eine politische Entscheidung, wie es gerne hingestellt wird. Eine ganz einfach ökonomische Klippe ist bewusst von Seiten der BRD errichtet worden: Die Bürger der DDR mussten Bahnfahrt und alle anderen Ausgaben in der BRD natürlich in D-Mark bezahlen. Die wenigsten hatten aber D-Mark. Und jedenfalls noch weniger konnten sich einen längeren unabhängigen Aufenthalt, z.B. zu Urlaubszwecken im westlichen Ausland leisten. Der DDR-Staat hätte ihnen D-Mark mitgeben müssen. Das aber war dem DDR-Staat nicht möglich, da ein Mangel an „Devisen“ bestand. Man kann die Rechnung aufmachen: Eine Urlaubsreise kostet 2000 DM. Wenn tausend DDR-Bürger reisen müssen schon 2 Millionen DM bereitgestellt werden.

Das „Einsperren“ der DDR-Bürger hatte also, mindestens zum großen Teil, einen ganz einfachen  materiellen Hintergrund. Und der Westen zeigte nicht gerade Entgegenkommen als die DDR-Regierung mit der BRD-Regierung dazu verhandelte.

Vielleicht erinnert sich noch jemand. DDR, das war die Zeit, als die S-Bahnen in Berlin noch regelmäßig fuhren, als keiner überlegen musste, wie er Miete, Strom und Kindergartenplatz bezahlen kann. Keinen Angstzustände bekam wenn er an die Ausbildung der Kinder denkt, keine Furcht hatte am Abend durch die Straßen zu gehen, als noch keine deutschen Soldaten im Ausland ihren Dienst taten und starben.

Was ist denn wirklich wichtig im Leben? Nach heutiger Meinung der Werbung ist es die allerneuste „Apps“ (Anwendungen) auf dem Handy oder der geländegängige Wohnzimmerschrank.

Wenn wir in uns gehen, wenn wir einmal ganz ruhig sind und hinsetzen in die Sonne und über die Wiese schauen, dann ist es etwas ganz anderes, was uns wichtig ist: Leben, essen, wohnen, Familie, Freunde, Ausbildung, etwas schaffen, stolz sein. Wie die schwäbische Dame, eben. Das ist die Freiheit, die glücklich macht.

Nach dem „Zentrum für Zeithistorische Forschung“ gab es in den 28 Jahren 136 „Maueropfer“, darunter 98 Menschen, die die DDR nach geltendem Gesetz illegal über die  Grenze verlassen wollten. Das ist zutiefst bedauerlich.  Am 14. August 2007 meldet „WeltOnline“, dass seit Jahresbeginn an der Grenze zwischen Mexico und den USA beim Versuch des illegalen Übertritts 275 Menschen ihr Leben verloren haben. Das ist auch zutiefst bedauerlich.

Die Bürger Mexicos werden kaum wegen ideologischer Disharmonie mit ihrem Land die Heimat verlassen wollen. Auch sind nicht alle Drogenhändler oder flüchtige Verbrecher, die diesen gefährlichen Weg über die Grenze gehen. Kaum beklagen werden sie sich können über mangelnde Reisefreiheit in ihrem Land. Die allermeisten werden mit der materiellen Existenz in ihrer Heimat nicht zurecht kommen. Einige treibt es über die Grenze, weil sie besseres Leben wollen, einige weil ihnen in Mexico überhaupt die materielle Lebensgrundlage fehlt.

Die materielle Grundlage war allen DDR-Bürgern garantiert. Ein illegaler Grenzübertritt, der die Gefahr des Todes immer in sich barg, muss für diese Menschen also aus anderen Gründen wichtig gewesen sein. Wichtig genug, das Leben zu riskieren. Die Gründe dafür, für jeden Einzelnen wären interessant. Aber die versinken in der Propaganda. Auf beiden Seiten.

Die DDR hat den Kampf der Systeme nicht bestehen können. Auch aus materiellen Gründen. Sie war nicht „pleite“ wie gerne behauptet wird. Der materielle Lebensstandard für jeden Bürger war in der DDR höher als für die allerallermeisten Bürger  Italiens oder Spaniens. Und die Pro-Kopf-Verschuldung geringer. Aber sie konnte und wollte ihre Bürger nicht mehr länger auch in der Reisefreiheit bevormunden.

Den Kampf der Systeme hat die DDR trotzdem gewonnen. Das wird die Zukunft zeigen. Das Lebensgefühl der DDR – Bürger, die Freiheit, die sie genossen, die kann ihnen keiner der jetzt real existierenden Staaten und Ordnungen geben.

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