Angenommen wir wären im Jahre 1950. Ich will eine SMS in die USA versenden.(Telefonhörer abheben, in den Hörer Lauschen, das Tuten in der Leitung hören: Tuut, Tuut, Tuut…) Ich drehe die Wählscheibe an unserem Telefon (Finger in das Fingerloch stecken, die Drehscheibe bis an den Haltebügel drehen, das Ganze mit der nächsten Ziffer wiederholen.) „Schnarrrrrr, Schnarr, schnarrrrrrr, schnarr, schnarr. ) – Das Amt. Eine freundliche Mädchenstimme meldet sich: „Hier ist das Amt, Sie wünschen?“
„Ja, ich möchte eine SMS versenden“
„Natürlich mein Herr, zu welcher Nummer?“
Ich geben die Nummer an.
„Ich habe notiert“ – Das Fräulein am anderen Ende wiederholt preußisch genau die angegeben Nummer.
„Ihre Nachricht ? Bitte denken Sie daran, nur 20 Zeichen!“
Ich überlege kurz, denn ich muss mich auf das wesentliche beschränken.
Ich notiere mir die Nachricht, die ich versende möchte vorsichtshalber: „Das Fruestuecksei war gut.“
„Bitte warten sie einen Augenblick, bis ich eine freie Leitung habe.“
Wir warten. Ich stelle mir vor, wie das Fräulein derweil auf ihren Klappenschrank schaut. Sie streicht ihr rotblondes Haar aus der Stirn. Die Lichter blinken, die Lampen über den ausländischen Leitungen sind alle rot. Sie kramt nach ihrem Lippenstift.
„Bitte warten Sie noch“, spricht sie zu mir in die Leitung. Ich warte. Sie zieht die vollen Lippen mit dem Stift nach. Endlich hat sie eine Grüne Lampe.
„Ich habe jetzt eine freie Leitung. Ihre Nachricht kann nach Übersee versendet werden.“
Das Fräulein steckt ihre Strippen in die entsprechenden Buchsen. Sie spricht in die Muschel: „Jetzt kommt eine SMS für Sie.“, dann spricht sie zu mir: „Sie können jetzt Ihre Nachricht durchgeben.“
Ich drehe an der Wählscheibe. „Schnarrrrr“ Das Fräulein meldet sich: „Möchten Sie ein ‚D‘, ein ‚E‘ oder ein ‚F‘ senden. Ich bestätige ihr das ‚D‘. Dann der nächste Buchstabe: „Schnarr“, wieder das Fräulein vom Amt: „Ich nehme an, es soll ein ‚A‘ sein? Ich bestätige das ‚a‘. Dieses Spiel wiederholen wir einige Male. Plötzlich unerwartet zwischendurch die freundliche Stimme: „Entschuldigen Sie, mein Herr, aber die Leitung wurde unterbrochen. Ich versuche sofort eine neue Leitung zu bekommen. Bitte warte Sie.“ Ich warte. Da kann man nichts machen. Die Leitungen nach Übersee sind immer überlastet. Aber es dauert nicht lange bis sich die junge Stimme wieder meldet. Wir beginnen von vorne. Beim ‚R‘ unterbricht mich die freundliche Frau: „Entschuldigen Sie mein Herr, aber es waren schon zwanzig Zeichen. Die SMS ist beendet. Ihre Nachricht wurde übermittelt. Ich wünsche Ihnen einen Guten Tag.“
Dann ist die Stimme weg. In der Leitung nur das „tut, tut, tut.“
Ich überlege, was der Empfänger nun mit der verstümmelten Nachricht anfangen wird, ob ich, damit er ruhig und in Gewissheit weiterleben kann, eine neue SMS senden sollte, mit einem kürzerem, aber vollständigem Text: „Frueei gut!“
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