Görlitz IV

Ich stehe mal wieder auf der Straße. Auf dem Postplatz. Bin eben aus der Bank gekommen. Der Geldautomat ist leer.  Dass die Bank pleite ist, das ist mir ja bekannt, aber dass sie auch keine Scheine mehr ausgibt, das geht dann doch zu weit.

Ich gehe zum Bäcker. Die Frau hinterm Tresen will mir kein Brötchen borgen, nicht einmal bis morgen. Sie glaubt mir nicht, wenn ich ihr sage, dass ich es auf jeden Fall zurückbringen werde.

Im Park setze ich mich auf eine Bank. Eine Frau setzt ihr Kind auch auf eine Bank. Die Mehrzahl von Bank ist „Bänke“ oder „Banken“. Beim „Backen und Banken“ spielt das Papiergeld eine untergeordnete Rolle. Es heizt schlecht, macht giftige Abgase und oft ist zu wenig davon da, um ein ordentliches Feuer zu machen. Und Geld schmeckt auch nicht.

Das Kind bekommt einen Keks. Die restliche Rolle wird neben dem Kind abgestellt. Ich schlage der Frau vor, eine Stunde auf das Kind aufzupassen. Die Frau lehnt ab. Das Kind bekommt den zweiten Keks. Das ist ungesund. Die Frau kümmert sich nicht darum. Sie hat die Aufschriften nicht beachtet: „Nikotyny masz brązowe palce.”

Das Blatt einer Zeitung wird vom Wind über den Sand des Weges getrieben.  Wie ein Vögelchen. Das Kind schaut hinterher.  Ich nehme einen Keks von der Rolle und beeile mich die Zeitung zu erreichen. Wegen der drohenden Umweltverschmutzung. Was, wenn das Kind die Zeitung in die Hand bekommen würde und darin lesen? Schnell in den Papierkorb damit.

Es beginnt zu regnen. Ich bin sauer. Oder sind es die Tropfen? Die Blätter am Flieder werden grün. Jetzt sehen sie so schön blank aus wie die Plasteblätter an den Kübelpflanzen im Hotelfoyer. So schnell kommt der Frühling. Und die Gefühle. Ich habe Kaffee-Durst.

Unterm Regenschirm, der auch ein Sonnenschirm werden kann, wenn die Sonne nur scheinen würde, nehme ich Platz. Mein Platz. Niemand verlässt das Cafe. Auch die Kellnerin kommt nicht. Sie schwatzt am Tresen. Es sind noch 999 Minuten bis zum Dienstbeginn. Die Uhr an der Post ist groß. Aber sie zeigt keine Zahlen. Nur nach oben oder nach unten, nach links oder rechts. Manchmal auch nach rechts unten auf die Telefonzelle.  Minuten.

Ein Rollstuhl kommt. Er ist schon besetzt. Sofort ist der Regen weg. Die Kellnerin trägt die Regentropfen im Glas nach drinnen. Der Rollstuhl bekommt einen Tee. Ich möchte auch einen. Wenn ich dran bin. Sie rollt das „R“ so schön. Aber sie wischt über die Tische und ich habe zu viel Zeit zum Überlegen.  Solange sie über die Tische gebeugt steht, sehe ich mir die Sache an. Dann stehe ich auf und gehe. In die Bank. Eine andere. Eine, die vielleicht noch Geld hat. Nachher könnte man noch einmal über einen Tee nachdenken.


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