Drei Dinge braucht der Mensch: Ein warmes Bett, Freunde und eine Idee, was er morgen macht.

Vor zwei Tagen war „Internationaler Frauentag“. Nicht Muttertag, nicht „Unsere liebe Frau“, nicht „Gedenktag gegen Gewalt gegen Frauen“, nicht der x-te Jahrestag von „Deutsche Frauen gewinnen die Frauenfußballweltmeisterschaft“. Es ist ein Tag der UN(Vereinte Nationen) fĂŒr die Rechte der Frau und den Weltfrieden. Das Datum, an dieser Gedenk- und Feiertag begangen wird, wurde gewĂ€hlt im Gedenken an die mutigen Frauen in Sank Petersburg, die die Februarrevolution in Russland auslösten. Zwei rote Nelken standen in einer Vase auf dem Tisch in der Kaffeeecke in einem Betrieb in Hannover. Sonst war alles ganz normal.

Außer: facebook war fĂŒr Stunden tot. Die Welt stand vor einer Katastrophe! Millionen waren von ihren Freunden getrennt. Soziale KĂ€lte breitete sich aus. Hundertausende hatten keinen Kontakt mehr zur Außenwelt. Engste Freunde, die sich zwar nie gesehen, ja nicht einmal telefonisch miteinander gesprochen hatten, verloren ĂŒber Stunden den Kontakt zueinander. Niemand wusste mehr, wie es dem anderen augenblicklich ging, ob er gerade Erdbeermarmelade oder Zuckersirup aus biologisch angebautem, fair gehandeltem Zuckerrohr auf‘s Brötchen schmierte. Die Selbstmordrate hatte einen Peak. Sie stieg innerhalb von Minuten auf der ganzen Welt auf ungeahnte Höhen. Als sich unsere Katze gerade aus dem Fenster stĂŒrzen wollte kam – in letzter Sekunde – öffnete sich die Seite wieder.  Der Ausnahmezustand konnte beendet werden.

Ich habe diese Woche in einem Hotel im Weserbergland ĂŒbernachten mĂŒssen. Ein gemĂŒtliches, schön gelegenes Hotel, ruhig und  fast mondĂ€n eingerichtet. So richtig zum Erholen fĂŒr gehobene Kreise. So hĂ€tte man den Zustand vor zwanzig Jahren beschrieben. Heute ein Hotel Garni. Dem ins Alter gekommene Portier, der nicht mehr von seinem Sessel hochkommt, aber sonst sehr freundlich und zuvorkommend ist, gehört das Hotel. Ob ihm bewusst ist, dass ich zum FrĂŒhstĂŒck ein Besteck benutze, das nach heutigen Börsenkursen gute 100 Dollar bringen wĂŒrde? Silberlöffel, der Messergriff, die Gabel, selbst der Ei-Löffel und die ZuckerbĂŒchse, alles 385-Silber. Ich schĂ€tze das Gewicht des Tischsilbers auf 1000 Gramm. Das macht bei einem Silberanteil von 38,5 Prozent rund 385 Gramm. Bei einem Preis fĂŒr die Unze von 38 Dollar, wĂ€re der Gesamtwert des Tischsilbers auf diesem Tisch bei runden  400 Dollar. Nicht schlecht. Ich wollte schon immer mal von silbernen Löffeln essen. Einen Augenblick lang bin ich in Versuchung alles in meiner Tasche verschwinden zu lassen.

In dieses Hotel hier hinter der Weser bin ich gezwungen worden. Eigentlich habe ich in Hannover zu tun. Aber dort stiegen die Preise fĂŒr Hotelbetten in dieser Woche in erstaunliche Höhen. FĂŒr Normalverdiener nicht mehr zu bezahlen. Normalerweise suche ich mir Absteigen bis höchstens knapp ĂŒber 50 Euro die Nacht. So etwas war ĂŒberhaupt nicht zu haben. Ziemlich sauer war ich schon, weil auch diese mit den Preisen bis auf 130 Euro hinaufgingen. In meiner Verzweiflung suchte ich auf ein sonst etwas teureres Hotel auszuweichen. Aber diese wollten fĂŒr drei NĂ€chte plötzlich 2.300 Euro haben. Inklusive FrĂŒhstĂŒck zwar, aber trotzdem blieb mir der Mund offen.

In der Woche der CBit fangen alle Unterkunftanbieter in Hannover plötzlich an wieder an die reine Lehre des Kapitalismus zu glauben: Die Nachfrage bestimmt das Angebot. Die Tankstellen auch, aber das sind wir ja gewohnt. In meinem Hotel wohnten auch Besucher der CBit. Sie waren leicht an ihrem FrĂŒhstĂŒcksverhalten zu erkennen: WĂ€hrend des Kaffeenachgeschenkens wird online am Ohne Tablet-PC in Wetter und die Sportnachrichten recherchiert.

Die Gewerkschaft hatte auch ihre Freude an der CBit. Sie rief den Streik im öffentlichen Nachverkehr aus. Die Medien schĂ€umten vor Wut. Ebenso die Veranstalter. Die Hannoveraner nahmen es gelassen. Sie entmotteten ihre FahrrĂ€der. Die GĂ€ste waren auch wenig beunruhigt. Sie nahmen es als NormalitĂ€t. Besonders Die GĂ€ste aus dem Ausland kennen das. Der deutsche Arbeitende streikt rund 7,5 Tage im Jahr. Schon der Franzose kommt auf das 30igfache. Dort wurden anscheinend die Gewerkschaften noch nicht so sehr mit der „Sozialen Marktwirtschaft“ vernebelt.

Das Radio rief dann auch fĂŒr alle Interessierten zum Streikbruch auf: Alle Willigen sollten mit roten Punkte anzeigen, dass sie zum Streikbruch fĂ€hig sind und durch anbieten einer Mitfahrgelegenheit den Streikbruch auch aktiv durchfĂŒhren wollen.

Rot Punkte habe ich wenige gesehen. Rote Sterne wÀren auch eine bessere Idee gewesen.

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