Sinn und Arbeit

(Teil 1)

Schon in frühen Schuljahren stellt sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Das ist bestimmt auch heute noch so: Ein beliebtes Thema für einen Aufsatz. Es ist ja nicht gesagt, dass die Lehrer die Frage für sich schon endgültig beantwortet haben, ja, es ist nicht einmal gesagt, dass sie sich schon (außer in der eigenen Schulzeit) getraut hatten, sich die Frage zu beantworten.

Die Frage wird von den Schülern, je nach Zeitgeist, Erziehung, Intellekt, Elternhaus, verschieden beantwortet. Am häufigsten gehen dann wohl die egobezogenen Aufsätze in Richtung Arbeitsheldentum, Helferheldentum, Weltverbessererheldentum. Vielleicht ist in neuerer Zeit auch öfter der Gedanke nach Freiheit und Gemütlichkeit vertreten. Oder es ist auch jemand unter ihnen, die absolut keinen Sinn im eigenen Leben und im Leben überhaupt erkennen können.

Und damit liegen diese Schüler der Wahrheit wohl am nächsten. „Warum bin ich?“ lässt sich ganz einfach beantworten: Reiner Zufall! Die Frage: „Warum sind wir?“ lässt sich ebenso einfach beantworten: Die Evolution hat es gemacht! Dem cleveren Schüler, der eine gute Arbeit abgeben will bleibt jetzt die Aufgabe den Rest der Seiten mit der Begründung auszufüllen, wie er dem erkannten sinnlosen Sein einen Sinn verleihen will.

 

Und, wenn er den Aufsatz zufrieden mit sich und der Welt abgegeben hat, beginnt der Horror erst: Die Frage wird ihn das ganze Leben begleiten und quälen.

Die religiösen Mitmenschen haben ein vorgegebenes Ziel. Beten und arbeiten, lautet ihr Motto. Sie erwarten das Himmelreich und versuchen die Seele bis dahin durch Arbeit und Anhimmeln zu ertragen und die Zeit so zu überbrücken.

Dem nicht religiösen Menschen fehlt die Hoffnung auf das Himmelreich. Er muss sich anders behelfen. Oft tut er es, in dem er sich einredet, in seiner Arbeit Sinn und Erfüllung zu finden.

So leben wir heute.

Arbeit ist in unserer Welt, der normalen Welt, in der sich Unternehmen gerne „Arbeitgeber“ nennen lassen und alle übrigen, die für ihren Lebensunterhalt schwitzen mit „Arbeitnehmer“ betieteln, ist Arbeit eben das Normalste, das Tagesfüllende.

In dieser Bedeutung des Wortes „Arbeit“ ist sie eine Abgabe von Leistung mit dem Zweck und Ziel für den Leistenden einen symbolischen Gegenwert in Form von Geld zu erlangen. Mit dem Geld wiederum kann er Leistungen anderer erlangen, die es ihm und die, für die er sorgen muss und will, ermöglichen, zu leben. er erhält Nahrung, Kleidung, Wohnung und Unterhaltung.

Die Leistungen der Arbeitenden sind unterschiedlicher Art: Der Bandarbeiter setzt Autos zusammen, die Krankenschwester unterstützt den Arzt, der Söldner erschießt aufständische und der Ingenieur denkt über die Optimierung von Motoren nach. Von seiner eigenen Leistung kann der Leistende nichts gebrauchen: Der Bandarbeiter braucht die vielen Autos nicht, an denen er arbeitet und der Söldner braucht die Toten nicht. Das Ergebnis ihrer Arbeit ist ihnen fremd.

Wer Sinn in der Arbeit sucht, die er für die Entlohnung tut, der ist schnell verloren. der Arbeiter, ob im 19. Jahrhundert oder heute, würde nicht auf die Idee kommen. Und wenn doch, so wird es ihm schnell ausgetrieben. Der Takt des Bandes treibt ihn. Der schreibt ihm vor, wie schnell die Teile zusammengesetzt werden. Beherrscht er seine Handgriffe, so wird die Geschwindigkeit des Bandes erhöht. Und der Frust und die Lust des Arbeiters ist dem Band vollkommen egal.

Der Friseur mag am Morgen noch Sinn und Befriedigung finden, wenn er die Frau mit dem frisch hergerichtetem Haupthaar entlässt. Spätestens am Nachmittag, mit dem Blick auf den Bestellkalender und mit schmerzenden Beinen wird er ahnen, das es der Bestellkalender ist, der regelt, wie viele glückliche Frauen ihn verlassen und nicht der Wunsch ihnen gefällig zu sein.

In gleicher Lage befindet sich der Finanzbeamte mit dem Stapel Akten, die zu bearbeiten sind, der Programmierer, der seine 10000 Zeilen Programm-Code abzuliefern hat und der Arzt mit seinem vollen Warteraum ist auch nicht besser dran.

Erst und nur dann, wenn sich der Arbeitende vom Druck des Müssens befreien kann, dann kann er Sinn auch in der Gestaltung finden. Sinn in dem Tun selber, nicht im Tun-müssen für Geld.

Greifen wir die Bilder noch einmal: Dem Bandarbeiter ist es vollkommen egal, ob sein Werkstück am Ende des Bandes direkt in die Schrottpresse wandert und somit auch seine Handhabungen vollkommen umsonst waren. Für ihn haben sie ihren Sinn erfüllt, wenn er sein Geld bekommt. Der Rest ist ihm egal. So geht auch dem Programmierer, der Krankenschwester, dem Arzt und dem Friseur. Wenn sie ihre Arbeit getan haben und ihr Geld erhalten haben dafür, dann kann ihnen das Schicksal ihrer Anstrengungen egal sein.

Und trotzdem strebt der Lohnarbeitende Mensch danach seinem Tun einen Sinn zu geben. Und das ist fatal für ihn. Denn es wird ihm nicht gelingen. Er kann das Schicksal des Werkstückes, des Programm-Codes und auch des Patienten nicht weiter bestimmen. Er hat keine Macht darüber. Und somit kann er auch die Nützlichkeit seines Tuns nicht bestimmen. Nicht über den Sinn also. Er kann darüber sinnieren wie er will, es liegt nicht in seiner Macht, weil ihn das Produkt seiner Arbeit sofort nach seiner Arbeit verlässt.

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Ein Kommentar

  1. Ja es stimmt. Der eigenen Früchte Arbeit sind dem arbeitenden meistens fremd. Trozdem scheinen mir die Schlussvolgerungen doch ein wenig zu einfach.
    Der Schlüssel liegt vielleicht darin, dass der Sinnsuchende den Sinn seiner Arbeit nicht im Produkt selbst sucht. So schafft er es jeden Morgen aufzustehen und den beschwerlichen Arbeitsweg anzutreten.
    Auch stellt sich die Frage, ob Arbeitssinn, Lebenssinn, Sinn des Seins dieselben sein müssen?
    Außerdem wäre zu diskutieren, ob ein Sinn wirklich entscheidend für ein glückliches und oder zufriedenes Leben ist?
    Trotzdem. Ich stimme zu. Der Verlust der Identität des Arbeitenden mit dem hergestellten Produkt ist ein Problem, dass man nicht unterschätzen darf.
    Es ist ein Problem, das nicht nur den Arbeitnehmer sonder auch den Arbeitgeber betrifft.
    Der Unternehmer und das Management sind gefragt diesem Identitätsverlust entgegenzuwirken um negative Folgen, wie z.B. Motivationseinschränkungen, fehlende Sorgfalt oder Gleichgültigkeit zu vermeiden.
    Der Arbeitende muss mit seiner Situation umzugehen lernen und dann die bestmöglichen Entscheidungen treffen.
    Ich bin gespannt auf den zweiten Teil.

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