Russland hat eine Volksbefragung zur Verfassungsänderung durchgeführt. Dem Held Russlands soll jetzt Gelegenheit gegeben werden, noch ein paar Jahre zu regieren. Im Namen des Volkes.

Der Westen regt sich auf. Was sonst. Der neue Zar in Russland, wo gibt es den sowas, wenn es denn eine Demokratie sein soll, dann muss auch eine demokratische Wahl zugelassen werden und überhaupt nicht zulässig sei, wenn sich der neue Zar sich auf Lebenszeit selbst wählen läßt.

Sehen wir es uns an, die Fakten, nur die Fakten.

Russland hat eine Volksabstimmung über seine Verfassung durchgeführt. Und tatsächlich hat das Volk, das Wahlvolk über eine Veränderung abgestimmt. In Berlin (Deutschland) wird gerade ein Volksbegehren zerschmettert. Die Gesetze in Deutschland machen es möglich. Es geht nicht um die Verfassung, es geht nur um Wohnungen in Berlin.

Auch in Russland ist die Volksabstimmung, das Volksreferendum, zur Verfassungsänderung nicht zwingend. Aber es wurde auf Beschluss der Volksvertretung, der Duma (nicht durch einen Putin-Prikras) beschlossen. Putin mag einen gewissen Einfluss auf die Abgeordneten haben, aber sie halten auch dagegen, wenn es sein muss.

Die SZ (Süddeutsche Zeitung) findet das alles andere als demokratisch. Weil über mehrere (46? Ich habe sie nicht gezählt) Punkte gleichzeitig abgestimmt wurde, nicht nur über die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten der Russischen Föderation. Es wurde auch gar nicht über Putin abgestimmt. Wenn das Volk bei der nächsten Wahl der Meinung ist, Putin macht’s nicht mehr, dann wird ein anderer gewählt. Es wurde ja nur die Beschränkung der Anzahl der Amtszeiten aufgehoben.

Das ZDF (Zweites Deutsches Fernsehen) ist ebenfalls der Meinung, in Russland ist alles sehr undemokratisch. Auch werben die (russischen) staatlichen Medien unrechtmäßig für eine Zustimmung zu erhöhtem „Mutterschaftskapital“, „Recht auf soziale Garantien“, „Mindestlohn“, „Muttersprache“, „Ehe“. In Folge der Verfassungsänderung wird es Gesetze geben, die das Mutterschaftsgeld erhöhen, einen Mindestlohn festlegen und grundlegende soziale Leistungen zusichern und einklagbar machen. Das Volk, der große (hier russische) Lümmel lässt sich natürlich von den Medien einlullen und wählt sich so gleich einen neuen Zaren.

Wie dumm, dass das russische Volk hier selbst etwas entscheiden muss.

In Deutschland wird das Volk erst gar nicht gefragt. Die „Volksparteien“ lassen sich wählen, setzen lauter Rechtsanwälte in das Parlament und diese schmieren sich gegenseitig mit Diäten, bis es oben wieder rauskommt. Diese Berufspolitiker entscheiden, nicht etwa das Volk, über die Verfassungsänderungen (wenn man denn zulässt, dass das undemokratisch entstandene GG (Grundgesetz) als Verfassung des „neuen deutschen Volkes“, des zusammengekleisterten WEST-OST-Volkes gelten soll.)

Es gab bisher rund 59 Änderungen des GG. Ein Beispiel: Das GG sah ursprünglich vor, dass es sich selbst auflöst und durch eine Verfassung ersetzt wird, sobald das West-Ost-Volk sich wieder vereinigt. Als es dann soweit war, da wurde durch das Parlament beschlossen, dass das GG dahingehend geändert wird, dass es weiterhin gilt, als deutsche Verfassung. Die Änderung fand nicht durch ein Volks-Referendum statt, sondern das Parlament schätzte ein, das es keine politische Mehrheit für die Schaffung einer Verfassung geben würde.

Eben auf die gleiche Art und Weise wurden Änderungen zur Privatisierung von Staatsbetrieben, zum Zurückdrängen des Föderalismus, zur Grundsicherung der Bevölkerung (Abbau derselben), zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, zur Einführung und zur Abschaffung der Wehrpflicht, und so weiter, durchgeführt.

Als Organ der absoluten Volksmacht („Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus…“) diente einzig das Parlament. Da ist im demokratischen ‚Staat „Bundesrepublik Deutschland“ keine „Volksabstimmung“ vorgesehen. Es gibt im GG (das in seiner ursprünglichen Form von den damaligen(westlichen) Besatzungsmächten genehmigt (!) wurde, keine Passage, die da eine Volksabstimmung zulassen würde.

Es gibt für die Deutschen die Möglichkeit des „Volksbegehrens“. Das aber muss der Innenminister (z.Z. wohl Herr Seehofer) genehmigen und wenn das Parlament gnädig die Ergebnisse zur Kenntnis genommen hat, muss das Parlament sich nicht weiter darum kümmern. Das Volk ist, nach den Wahlen, von jeder Mitwirkung ausgeschlossen. Aber, das deutsche Volk scheint damit leben zu können.

Und es wäre für die Regierenden und für diejenigen, die die souveräne Macht des Volkes ausüben (Abgeordnete, Fraktionsvorsitzende) auch unzumutbar kompliziert. Welcher Aufwand, wenn das deutsche Volk vielleicht seine Ablehnung gegenüber der Lagerung ausländischer Atombomben auch verfassungsmäßig durchsetzen würde! Da wäre dann noch die Auslandsstationierung deutscher Soldaten, Kriegsbeteiligung, der Beherbergung ausländischer Soldaten generell, der Mindestlohn, und wahrscheinlich einige andere Dinge, die auf den Tisch kämen.

Aber brauchen wir das? Wollen wir das brauchen? Sollen wir überhaupt darüber nachdenken, was „Demokratie“ im Wortsinn wirklich ist?

Nachtrag: Das neue Wahlgesetz wird noch mehr die Kandidaten der Parteien stärken. Damit entscheiden wenige Führer, nämlich die der Parteien, vollkommen unbeeinflusst und unbeeindruckt vom Volk, über die Geschicke Deutschlands.

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