Sinn und Arbeit Teil 2

Jetzt wäre es einfach für den Arbeiter (oder den Friseur) nicht erst nach einem weiteren Sinn seiner Lohnarbeit zu suchen. Die Begründung, sie würde ihn und seine Familie ernähren, ist ja für ihn ausreichend.

Der Arbeiter, bleiben wir bei dem einfachen Begriff „Arbeiter“, verbringt in der Regel fünf mal die Woche mindestens 8 Stunden des Tages mit seiner Lohnarbeit. Einen großen Teil des Restes des Tages und des Wochenendes und des Urlaubes verbringt er damit, sich von den Anstrengungen seiner Lohnarbeit zu erholen. Erst dann und soweit kommt er nur, wenn sein Arbeitsherr ein nachlässiger oder gnädiger als andere ist, schafft es der Arbeiter etwas außerhalb der Notwendigkeit des Kreises der Lohnarbeit zu tun. Er kann sich um Kinder und Frau kümmern, in einem Verein tätig sein, schöpferisch werden in der Landschaftsmalerei.

Für den marokkanischen Landarbeiter im spanischen Andalusien oder die Näherin in Bangladesch stellt sich die Frage nach der unausgefüllten Freizeit allerdings gar nicht. Nach 12 und mehr Stunden und dem überaus kargen Lohn bleiben die Freizeitaktivitäten sehr beschränkt, beschränkt auf Familie und Wiederherstellung der Arbeitskraft.

Wenn also der Arbeiter (oder Friseur) zu dem Schluss kommt, dass es sein Leben voll ausfüllt, wenn er sein Leben hauptsächlich mit der notwendigen Lohnarbeit verbringt, um zu Tauschmittel in Form von Geld zu gelangen, dann benötigt er keine weitere Begründung für sein tägliches Werk. Es ist für ihn die einzige Möglichkeit an das Tauschmittel heranzukommen. Also wird er die Lohnarbeit tun. Als Friseur, als Bandarbeiter oder als Arzt.

Bekäme der Mensch eine andere Möglichkeit, zum Beispiel über das im Augenblick viel diskutierte „bedingungslose Grundeinkommen“, so würde für diesen Menschen die Notwendigkeit der Lohnarbeit entfallen. Wo keine Notwendigkeit ist, da ist auch kein Sinn.

Welchen Sinn also hat die Arbeit eines Straßenkehrers oder Bandarbeiters?

Einen für den Einzelnen zunächst nicht unmittelbar erkennbaren, aber doch so offensichtlichen: Der Straßenkehrer kehr die Straße, der Bandarbeiter baut Autos, der Erntehelfer erntet Spargel und Erdbeeren!

Das was der Arbeiter in Lohnarbeit herstellte, bekommt einen Sinn, sobald sein Werk ihn verlässt. Für den Rest der Menschheit ist die Arbeit, die der Einzelne im Schweiß getan hat, durchaus sinnvoll. Nicht das einzelne hergestellte Auto, das ungenutzt im Autohaus herumstehet, aber die anderen Millionen, die genutzt werden, die benötigt Materialien und Lebensmittel transportieren, die sind notwendig und sinnvoll.

Und das, so ist es überall zu beobachten, erfüllt wieder den Einzelnen mit Stolz und Befriedigung. Der Bandarbeiter, beim Einkaufsbummel, stellt befriedigt fest, dass die Autos, an denen er mitgearbeitet hat, auf der Straße herumfahren und die Leute genau diese Autos benötigen und sich an ihrer Existenz erfreuen. Diese Erkenntnis lässt dem Bandarbeiter die Brust schwellen. Für seine Mitmenschen, auch wenn sie ihn nicht kennen und ihm so nicht auf der Straße dankend in die Arme fallen, hat seine Arbeit einen Sinn. Es entstehen Produkte, die die Menschen brauchen. Autos und Brot, Handgranaten und Suppenkellen, iPhones und Babyschnuller werden gefertigt. Die Alten werden älter, dank Medizin und Pflege.

Wenn er, der Arbeitende, dann während seiner Tätigkeit ein kleine Pause hat, dann wird er daran denken, wie die Menschen da draußen mit seinem Auto durch die Gegend fahren, um die wichtigen Dinge zu erledigen. es wird ihn beflügeln. Er wird die Schraube an die richtige Stelle setzen, zum zweitausend Mal an diesem Tag und sie mit dem Momentenschlüssel anziehen, so wie es vorgeschrieben ist, nicht weil es vorgeschrieben ist, sondern weil er möchte, dass sich die Leute lange an der Qualität seiner Arbeit erfreuen können.

Der Arbeiter selbst wird seine Fähigkeiten vervollkommnen, er wird mit seinen Kollegen darüber sprechen, auch darüber, was sie für eine wichtige und wertvolle Arbeit sie leisten und sie werden sich gegenseitig bestärken darin.

Sie trainieren ihre Fähigkeiten, sie denken darüber nach und werden eventuell ihre Arbeit verbessern, die Handgriffe sinnvoller machen, etwas neues erfinden. Sie pflegen ihre Kontakte, ihre Beziehungen, sie arbeiten zusammen. Jeder findet ein Stück in dieser Zusammenarbeit und in der Arbeit, die für ihn eine zusätzliche Befriedigung gibt, zusätzlich zu dem erwartbaren Lohn.

Und schon stimmt die Welt wieder für den Bandarbeiter, den Frieseur, den Arzt und den Ingenieur.

Und auch für die Menschheit macht es Sinn.

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Ein Kommentar

  1. Wie immer liegt so viel am Standpunkt des Betrachters und an der Fähigkeit Zusammenhänge in eine angenehme Beziehung zu setzten.
    Das ist wichtig für das Selbstverständnis und hebt die Stimmung.
    Finde ich richtig und gut. Super!
    Ein guter Artikel mit einer interessanten Wendung in diesem zweiten Teil.
    Und ein Happy End zum neuen Jahr. Schön!

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