Archiv für Juli 2013

Die Tafel

Und, haben sie sich den Thriller reingezogen, erschöpft vom Tageswerk, gestern am Abend? Wenn sie wirklich mal das Gruseln bekommen wollen, dann hören sie sich das mal an:

Frauen und Männer mit blauen, weißgepunkteten Schürzchenen, liebevoll lächelnd, verteilen tausend Kostbarkeiten an freundlich bittende Münchner.

Im sechst-reichsten Staat der Welt (BIP pro Kopf) und in diesem  wiederum die 4-reichsten Stadt, München,  gehen 18 000 Menschen zur „Tafel“. Sie können getrost noch mal 18000 dazurechnen, die wegen Faulheit  so früh nicht aus dem Bett kommen und so das Frühstück an der Tafel verpassen, wegen Blödheit die richtige Straßenbahn zur nächsten Tafel  nicht finden oder sich doch zu sehr schämen nicht in der Lage zu sein in einer der reichsten Städte der Welt  seinen eignen Beitrag zum Wohlstand beizutragen und  der Gesellschaft zu sehr auf der Tasche zu liegen.

Trotzdem geht noch immerhin jeder achtundsiebzigste Münchner zur Tafel, um  für sich oder für seine Familie dort unentgeltlich einkaufen.

Aber nur auf Bezugsschein. Nein, nicht jeder darf sich hier kostenlos gütlich halten an dem von der Gemeinschaft erarbeiteten und der Tafel gespendeten Gütern, alles muss seine Ordnung haben. Wir sind in Deutschland, da gibt’s Bezugscheine. Da soll sich ja keiner auf Kosten anderer bereichern. Da muss die Bedürftigkeit schon ordentlich festgestellt sein, trotz der notwendigen Datenspeicherung. Das muss man in Kauf nehmen. Überhaupt, in unserer reichen Sozialgemeinschaft ist das doch nicht normal, dass einer nicht in der Lage ist, für sich oder seine Familie zu sorgen.

Da fragte ich die Omi, warum sie denn zur Tafel gehe. Was bekomme ich zur Antwort: sie hat keine Kinder, die sich um sie kümmern.

Und der Mann mittleren Alters, der so vom Ansehen her sehr wohl in der Lage wäre, sich selbst zu versorgen. Er redet sich raus. Bei McDingsda habe er schon versucht eine Anstellung zu bekommen, aber er ist schon raus aus den saftigen Jahren. Bei  einer Sicherheitsfirma, bei der er sich beworben hat, da gab‘s nur einen Stundenlohn knapp unter 4 Euro.

Alles Ausreden. Was will er denn mehr verlangen, als 4 Euro. An irgendeinem Werkstor rumlungern und die Arbeitswilligen belästigen, das wird er doch wohl können. Und das ist doch mit 3.88 Euro die Stunde gut bezahlt. Schließlich könne er sich bei der Nachtwache weiterbilden. Da muss der doch wohl nicht zur Tafel.

Eine junge Frau, die ich befrage, erklärt mir , sie sei aus Rostock eingewandert, was bekanntlich in der ehemaligen Zone liegt und sie hätten Tomaten schon immer auf Bezugschein bekommen. Sie komme deswegen, weil sie sich das sonst gar nicht vorstellen könne. Sie erklärt mir das in einem nachgemachten friesischen Dialekt, obwohl Rostock bekanntlich nicht in Friesland ist, aber den heimischen schwäbischen Dialekt konnte sie doch nicht so ganz unterdrücken.

Und der junge Mann, nun doch wirklich im besten Alter, erklärte, er wäre für seinen Freund hier, der wäre in der Vorlesung und müsse danach  sofort zu einem Diskounter, Regale einräumen. Wenn er von dort was mitnehmen würde, nur Überzähliges natürlich, dann wäre das Diebstahl.

Die Frau mit Baby erklärt:  Die Bananen sind hier immer so schön reif. Im Supermarkt sind die immer noch so grün, dass man sie nicht genießen kann. Und die Kiwis erst, auf die Kiwis möchte sie ja nicht verzichten. Die Eierteigwaren wären nirgends so gut und günstig wie hier.

Alles freche Lügner und Abstauber. Solche Schmarotzer sollte man für 10 Euro Mindestlohn auf die Obstplantagen vor der Stadt jagen, Kirschen und saftige einheimische Äpfel pflücken. Schade nur, dass die Obstplantagen abgeholzt wurden, wegen der Brachfläche und der Landschaftspflege, für die es fette Subventionen von der EU gibt. Und nach Spanien zur Obsternte möchte man die Leute ja nun wirklich nicht schicken. Vielleicht noch Urlaub machen dort, für Mindestlohn. Außerdem sind da schon die Marokkaner zum pflücken. Die kommen uns billiger. Jedenfalls solange die Supermärkte genug Bananen und Spaghetti spenden.

Ich meine, wo doch die CSU jetzt ein eignes Wahlprogramm hat, da sollten sie doch eine Steuer erheben für jedes Gramm weggeworfener Lebensmittel und eine Strafe verhängen für jeden umgerissenen Obstbaum im eigenen Land.  Subventionen für stillgelegte Flächen braucht niemand und auch nicht für Transporte von Lebensmitteln durch die ganze EU –

Das Geld könnte in höhere Renten, Stipendien und die Erhöhung des Arbeitslosengeldes gesteckt werden.

Der Mindestlohn könnte, wie von 52 Prozent der Unternehmer selbst vorgeschlagen, auf mindestens 8,88 € festzulegen- Dann brauchte kaum noch jemand an der Tafel stehen.

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Der Markt

Die Kanzlerin spricht von „marktkonformer Demokratie“, also:  alle Macht geht vom Markt aus. Wenn das nicht verfassungsfeindlich ist, dann weis ich auch nicht…

Wer die Frau Merkle bei solcher Äußerung dann noch wählt, dem ist nicht zu helfen. Die Frau sollte man unter Beobachtung stellen, schließlich haben wir besonders geschulte Schützer dafür.

Nicht mehr der „freie Bürger in einem freien Land“ entscheidet, sondern der freie Markt in unserem und den anderen freien Ländern. Eine wirklich erstrebenswerte Sache. Aber, wir sind längst soweit. Das was die Frau da ausspricht ist längst Wirklichkeit. Sie will lediglich den Weg konsequent fortsetzen und vielleicht auch noch ein bisschen mehr Freiheit … für die Märkte.

Wer das für erstrebenswert hält, der soll sie wählen. Für mehr als dreiviertel der deutschen und der Welt, für die rund 500 Familien, die mehr als die Hälfte aller materiellen Werte dieser Welt ihr eigen nennen, ist der „marktkonforme Demokratie“ erstrebenswert, für den Rest eher nicht. Weil der Rest auf dem freien Markt ist und sich am freien (z.B. Arbeits-) Markt behaupten muss.

Die rund 4 Millionen Billiglöhner in Deutschland und die (offiziell) rund drei Millionen, die von der Stütze abhängig sind, taugt die „marktkonforme Demokratie“ jedenfalls nicht.

Und auch der Rest der Beschäftigten bangt, mehr oder weniger intensiv, um seinen Arbeitsplatz. Wenn dann marktkonform in unserer Demokratie neue Subventionen für die Energiewirtschaft und deren Aktionäre beschlossen wird, dann ist das eben Pech für die, die sich nicht am „Markt“ behaupten können.

Demokratie, das war vor langer Zeit mal eine Erfindung der Griechen, die Last der Entscheidungen auf die Schultern vieler zu verteilen. Aber es geschah ihnen, wie es allen Demokratien geschieht: Die Leute hatten keine richtige Lust dazu. Irgendwann fand sich jemand, der es übernahm, den vielen die lästige Aufgabe der Zukunftsentscheide abzunehmen und setzte sich als Tribun, König oder Kaiser ein.  Oder eben, wenn Tribun oder König nicht mehr zeitgemäß ist, dann wird es über Gesetz und Verfassung geregelt, daß nicht mehr alle an den Entscheidungen teilnehmen müssen, sondern nur noch alle paar Jehre zur Wahl gehen müssen, des Scheines wegen.

Demokratie ist auch nicht zu verwechseln mit der „Herrschaft des Pöbels“, wo wirklich jeder, den es angehen könnte,  an den Entscheidungen teilnehmen darf und soll. Das ist ja auch viel zu aufwendig, alle 80 Millionen Mitbürger vor dem Reichstag zu versammeln. Aber virtuell könnte man es versuchen. So mit Internet und so, mit dieser neuen Technologie, wie unsere Kanzlerin sagt.

Und was soll da rauskommen, wenn alle durcheinanderreden. Hat man ja bei den Piraten gesehen, was da rauskommt wenn jeder so daherquatscht, wie es ihm in den Sinn kommt. Da soll jeder in seinem Dorf bleiben und die Entscheidungen denen überlassen, die was davon verstehen und sogar einen Doktortitel haben. Wenn auch nur oder eben am freien Markt erworben.

 Der „Markt“, das wird uns erzählt, ist für alle gut. Wer am „Markt“ nicht besteht, der ist eben nicht gut genug. Der ist selber schuld, der gehört ausgesondert. Bereinigt. Im Zeitalter der Brustimplantate und Beinverlängerungen, der Sehhilfen  und Genius-Pillen kann sich doch jeder so hinfriemeln, dass er am „Markt“ bestehen kann. Wenn er das nötige Kleingeld hat. Das er am „Markt“ beschaffen muss, wenn er nicht stehlen will. Wobei Raub in dieser marktkonformen Demokratie ebenfalls eine legitime Methode ist. Oder Erpressung. Oder ist das keine Erpressung, wenn die Banken ein vielfaches an Zinsen fordern und Dir nur sagen brauchen, dass die Entscheidung bei Dir liegt: den Kredit  gibt es zu den Bedingungen der Bank oder gar nicht.

„Alle Macht den Märkten“ Wollen wir das wirklich? Wollen wir der Christlichen Marktkonformen Union, der Sozial – marktkonform Demokratischen Partei oder den freien marktkonformen Demokraten das Spielfeld weiterhin überlassen?  Jeder mag sich das für sich überlegen.

„Kommen Sie näher, kommen Sie rann, hier werden sie genau so beschissen wie nebenan!“  brüllt der Markschreier  und er hat Recht. Sein Fisch kommt aus dem gleichen Tümpel.

Wie dem Abhelfen, wie ?

Autonomie. Jeder für sich, jeder in seiner Familie, jeder in seinem Dorf, seinem Stadtbezirk, in seiner Stadt, seiner Region, seinem Land.

Mit dem menschlichen Grundsatz: Jeder entscheidet für sich. Alles was den anderen nicht schadet, das darf ich machen. Wenn andere davon berührt werden, dann wird zusammen entschieden. Aber nur mit denen, die es angeht. Mehrheitsentscheid. Das ist nicht immer gerecht, aber es gut für viele. Wer sich nicht fügen will, soll sich eine andere Kommune suchen.

Es mag viele Argumente dagegen geben, aber sie würden die Entscheidungen nicht mehr denen überlassen, die uns alle „marktkonform“ machen wollen oder schon gemacht haben.

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