Verwundert hören wir die Meldung früh im RegionalRadio: Demonstrationen in Mitte(Fernsehturm oder Neptunbrunnen) und in Kreuzberg. In Kreuzberg gibt es allerdings Grillwürstchen.

Seit wann macht denn das Radio Werbung für Demonstrationen? Höchstens mal für die Fußball-Jahrhundertfeier oder den Vereinigungsrummel am Brandenburger Tor, aber doch niemals für eine systemkritische Demonstration. Die Verantwortlichen der Sendung setzen doch nicht mit so einem Blödsinn ihren Job aufs Spiel!

Und dann diese lächerlichen Zahlen: 350 sind in Mitte angemeldet, 1000 in Kreuzberg. Da hält doch der Polizeipräsident nicht mal beim Schlag auf das Frühstücksei inne! Woher also kommt es? Es klinkt sehr nach : „Occupy the Occupy!“ , zumal auch Grüne und SPD öffentlich ihre Sympathie und Teilnahme erklären , und sich vielleicht sogar heimlich FDP-Anhänger in die Demonstration schleichen. Unionsmann Flosbach erklärt jedenfalls öffentlich er könne verstehen, wenn die Leute mal Dampf ablassen wollen.

(Nur zur Erinnerung: SPD-Schröder war an der Spitze der deutschen Regierung, als den Finanzmärkten die letzten Fesseln genommen wurden. Die Grünen unterstützten die Gangart.)

Trotzdem: Es ist gut. Alle sollen kommen. Alle sollen da sein und es soll laut sein. Die Zeitungen sollen darüber berichten. Es wird die

Ja, es sind die Banken, die den ganzen Schlamassel mit der „Eurokrise“ treiben. Es sind die Börsen, die mit Summen umgehen und mit Gewinnen protzen, die den Normalsterblichen  finanztechnisch überfordern. Die Zahlen erinnern eher an die Weltwirtschaftskrise und den Zustand in Deutschland  kurz vor der Einführung der Rentenmark. Nicht mal hohe Lottogewinne kommen in die Nähe der Geldmengen mit denen da umgegangen wird.

Aber, die Banken und Börsen machen nur ihren Job. Und den auch nur (vielleicht mit einer etwas großzügigen Auslegung) im Rahmen der gegebenen Gesetze. Die Demonstrationen sollten mindestens parallel vor den Regierungssitzen und den Parlamenten stattfinden, vor dem heimischen Kanzleramt genau so, wie vor dem Europaparlament. Da werden die Gesetze gemacht, an die sich die Banken und die Börsen halten müssen/müssten.

Orientierungslosigkeit bei der Bevölkerung, sowie bei den Parlamentariern und bei den Regierungen. Ist nun Griechenland selber schuld an der Finanzmisere im Land? Sind die Griechen so oberfaul und so gierig nach Autos und Häusern, dass sie jahrelang über ihre Verhältnisse lebten und ganz Europa die Suppe jetzt auslöffeln soll? Sind die Portugiesen und die Italiener und die Spanier ein genau so faules P… ? Was ist mit den Deutschen, die am Rockzipfel des Staates hängen, jeden Monat ihre Arbeitslosen – oder Sozial- Bezüge beziehen und immer noch jammern? Sie hätten doch rechtzeitig ans Sparen denken müssen!  Kredit für einen neuen Fernseher, Kredit für ein neues Auto, weil das alte nicht mehr hübsch genug ist, da haben sie zugefasst, aber wenn es an das bezahlen geht, dann jammern sie rum.

 Die da auf der Wallstreet rumlungern oder auch die, die auf dem Alexanderplatz die Transparente hochhalten, die fordern, dem ausufernden Finanzkapitalismus muss Einhalt geboten werden. Sie behaupten, das System sei gescheitert, das System des Kapitalismus. Das ist eine sehr einseitige Sicht. Vielleicht die Sicht der Leute, die überhaupt eine Sicht haben. Aus dem Blickwinkel der Verdienenden, der Teilhabenden, der Besitzer von Jachten, Villen und ganzen Inseln ist das System keineswegs gescheitert. Für die funktioniert es nach wie vor ganz ausgezeichnet, sie müssen weder hungern, noch alle ihre Jachten verkaufen. Sie dürfen weiter an den goldenen Wasserhähnen drehen und sich für „Forbes“ ablichten lassen. Sie werden ein wenig jammern, den Kragen ihres Pelzmantels etwas enger zusammenhalten und warten bis die Aufregung sich gelegt hat.

Der Tag ging vorbei, so wie jeder Tag vorbei geht. Ein paar Leute sind gekommen. Die, die da waren fanden es großartig und hoffen, dass beim nächsten Mal noch mehr Leute kommen.

Rund 80 Millionen Deutsche sind nicht gekommen. Sie hatten keine Zeit oder sie sind mit den Zuständen einverstanden oder sie denken, die Regierungen werden das schon richten, oder sie gehören zu den 1% Reichen, die das albern finden. Vielleicht sind auch Leute darunter, die meinen der Finanzkapitalismus sei eine Seifenblase und wenn er sich genug aufgeblasen hat, dann platzt er sowieso und das Paradies kommt von ganz alleine auch für die Arbeitenden.

Die Demonstrierenden, auch wenn sie alle ganz privat und von selber gekommen sind haben ein Programm. Sie sind gegen eine ganze Menge und neu ist, sie sind auch FÜR etwas: Für basisdemokratische Teilhabe. Und wie sie diese verstehen, das demonstrieren sie, sie gehen auf die Straße und schreiben ihre Sachen auf die Plakate oder skandieren die Forderungen laut, so dass sie auch in der letzten Reihe verstanden werden können. Ob die Damen und Herren hinter den Glasscheiben des Reichstages oder des Kanzleramtes so weit hören können, ist nicht bekannt. Vielleicht war auch gar keiner da, der zuhören konnte. Schließlich ist Wochenende. Da können sie mal Dampf ablassen, aber Montag, da geht’s wieder zur Arbeit.

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