Genialitäten

Die Regierung des Landes Sachsen Anhalt, speziell das Bildungsministerium, hat jetzt eine Lösung gefunden. Für was? Für die Lösung des Lehrermangelproblems!

Ein wirklich schwerwiegendes Problem, mit dem seit Jahren gekämpft wird, mit dem verzweifelt gekämpft wurde, kann man sagen. Denn jetzt ist die Lösung gefunden.

Der MDR meldet, dass das Land 610 leere Lehrer-Stellen ausgeschrieben habe. Die Bewerbungsfrist lief bis zum 25. Mai. Die AfD meldet den Ausfall von 700.000 (siebenhunderttausend!) Unterrichtsstunden im Land für das vergangene Jahr. Mag sein, die AfD hat übertrieben. Das macht sie ja gerne mal, wie alle anderen, wenn es Missstände, verursacht durch andere politische Spieler, angeprangert werden müssen.

Die Ausschreibung endete und es gab über 15.000 Bewerbungen auf die Lehrstellen. Mehr als genug, wolle man meinen. Allein, das täuscht. Ein Bewerber alleine hatte 170 Bewerbungen geschrieben und andere hatten, wohl aus Erfahrung, ähnliches getan. Wer an einer Schule nicht angenommen wird, hat vielleicht die Chance seines Lebens verpasst, weil er sich an einer anderen Schule nicht beworben hat, bei der genau sein Profil gesucht wird. So ist das in der freien Schulwirtschaft. Möglichst liberal, möglichst ohne jede Koordination. Möglichst nicht über eine mögliche Lösung nachdenken.

Die Schulen haben sich aus den über 700 Bewerbern ihre Kandidaten herausgesucht. Es blieben immer noch einige Stellen, die nicht besetzt werden konnten.

Jedenfalls schätzt der zuständige Minister, dass auch im kommenden Schuljahr wieder jede Menge Stunden ausfallen. Den Schüler freut ’s, wenn er eine Freistunde hat, den Lehrer ärgert es nicht, aber der Elternrat kann sich Luft machen.

Eine Lösung musste her. Die zuständigen Stellen haben gefunden, was sie suchen: Die Lösung! Und nicht Irgendeine! Der Minister verkündet sie mit stolz geschwellter Brust. Einen Augenblick fühlt sich der Zuhörer (echt verscheißert) sprachlos, dann erkennt er die Genialität.

Der allerneueste Beschluss besagt, dass die Anzahl der Unterrichtsstunden gekürzt wird. Wahrhaft revolutionär. Und so einfach. So werden die immer noch über 100 fehlenden Lehrer eingespart. Und es gibt keine Fehlstunden mehr. Die Schüler bekommen die geplante Anzahl der Stunden und alle sind zufrieden. Genial. Einfach die Planung anpassen. Das sollten sich einige andere Leute zum Beispiel nehmen. Wenn im Operationssaal nicht genug Operateure vorhanden sind, dann wird einfach die Planung verändert. Jede zweite Gallen-Operationen wird gestrichen. Dann ist alles wieder im Plan. Es werden nur noch die Hälfte Operateure gebraucht. Genial.

Nebenbei wird dem sachsen-anhaltinischen Staatssäckel das Gehalt von einigen Lehrern erspart. (Was vorher aber eben auch nicht ausgezahlt wurde, weil keine Lehrer da waren, an die man hätte bezahlen können.) Noch mehr Freude. Das gesparte Geld kann jetzt in die Renovierung der Staatskanzlei gesteckt werden.

Die zuständigen Stellen in den Ämtern und Ministerien sprechen von einer Entlastung, die dem Stundenumfang von ungefähr 770 Vollzeit-Lehrern entsprechen. „Diese Reserve brauchen wir auch ganz dringend, um die Unterrichtsabsicherung tatsächlich zu bewerkstelligen.“

Hier beißt sich der Hund in den Schwanz.

Wie sagte schon der Alte Fritz: „Du kannst 35 Beamte in die Schule schicken und trotzdem wird ihnen kein Gehirn wachsen.“ Und zu dieser Zeit gehörten noch große Teile des heutigen Anhalts zu Preussen.

Zusammen mit der Idee zukünftig das Mit-der-Hand-Schreiben in der Schule nicht mehr zu vermitteln, rundet sich das Bild ab. Da die blöde Rechnerei jetzt auch von technischen Geräten übernommen wird, die Preise im SMART(engl. für „intelligent“, „gewitzt“ oder „schlau)-Phone ohne Zutun des Käufers zusammengerechnet werden und auch das Kleingeld nicht mehr aus dem Portemonnaie gezählt werden muss, erübrigt sich auch bald das Fach Mathematik.

 

Friedrich Wilhelm von Preussen hat vor 300 Jahren die Schulpflicht eingeführt und damit das deutsche Volk zu dem Volk der Dichter, Denker und Ingenieure gemacht. Der Soldatenkönig war selbst kein Freund der Gelehrsamkeit und hat selbst nicht einmal richtig schreiben gelernt. Aber Friedrich Wilhelm I. will Preussen zu einem gewinnbringenden Staats´gebilde machen. Dazu braucht er nicht nur Soldaten sondern auch Beamte. Und die müssen Lesen und Schreiben können. Auch glaubt er, dass die Schule für gute Christen und somit auch für gehorsame Untertanen sorgen würde und verordnet daher in seinem General-Edikt vom 28. September 1717,

„dass hinkünftig an denen Orten, wo Schulen sein, die Eltern bei nachdrücklicher Straffe gehalten sein sollen, ihre Kinder im Winter täglich und im Sommer, wann die Eltern die Kinder bei ihrer Wirtschaft benötigt sein, zum wenigsten ein- oder zweimal die Woche in die Schule zu schicken.“

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