Blühende Landschaften: Sehen wir uns das Blühen an, 23 Jahre nach dem die westliche Demokratie über den Osten Deutschlands gekommen ist.

Da blüht es, wie versprochen,  überall: Auf den Industrieruinen, auf den Brachflächen, auf den eingeebneten Wohnvierteln, auf den ehemaligen Kinderspielplätzen, ja, auf den ehemaligen Kindergärten selbst. Aus der Mauer des einstigen Dorfkonsum wächst eine Birke. Sie verliert jetzt im Herbst ihre Blätter; die Gaststätte daneben wird nicht mehr betrieben. Bunte Graffitis schmücken die Wand. Vergessen die ausgelassenen Feiern der Einwohner, der Familien, der LPG-Brigade, auch  die Disco, auf der die erste harte Droge – Wilthner Kräuterschnaps- probiert wurde.

Es blüht überall. Auf den Bahndämmen wachsen die Blumen. Es ist wilde Kamille. Die Schienen sind verkauft. Jede einzelne Schraube.

Das kleine Haus für den Stromverteiler trägt zur Straßenseite hin ein Gemälde. Wiese, Kühe und blühende Butterblumen. Künstlerisch nicht sehr wertvoll, aber hübsch.

Auf dem Friedhof im Süden Leipzigs steht eine Vase auf dem Grab des Leipziger Jungen, der nicht lebend aus Afghanistan zurückkehren konnte, obwohl er es versprochen hatte.

Die Lügen blühen in den Politikerreden. Früher haben sich die Ost-Politiker auch selbst noch belogen, heute ist die Lüge nur  noch für’s Volk. Das ist Demokratie. Zwei Drittel aller Posten in der Politik des Ostens sind mit Importen aus dem Westen Deutschlands besetzt.

 

Die Erinnerung wird umgedreht. 23 Jahre lang war schon Zeit dafür. Aber es reicht noch nicht. Immer wieder werden die Filme, die Bücher, die Theaterstücke hoch gelobt und hochgelobt, wenn sie nur das Leben von vorher möglichst gut verdrehen. Es gibt große bunte Blumensträuße dafür.

Da, wo heute Blumen blühen, da arbeiteten einst Menschen. Sie stellten Dinge her, die sie selber brauchten und die sie in die Welt verkauften. Da, wo die wilden Margeriten blühen, da wohnten die Menschen, die in den Betrieben arbeiteten. Da, wo der Holunder reif und schwarz steht, da fuhren einst die Züge diese Menschen in die Städte oder zur Arbeit. Da, wo sich heute wild die Hagebutten ranken saßen einst die Alten auf den Bänken, die von ihrer Rente gut und ausreichend leben konnten  und sahen den spielenden Kindern zu, die, so hofften sie, in wohlbehüteter Umgebung aufwachsen würden. Da, wo heute die Vase steht, mit den Astern für den Gefallenen, wurden vorher nur Menschen begraben, die friedlich diese Welt verlassen hatten.

Was ist das für eine Freiheit. Es geht nur um das tägliche Überleben. Was ist das für eine Demokratie. Du kannst sagen was Du willst, es hört Dir niemand zu.

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